Vorletztes Wochenende war ich zum ersten Mal auf der Nippon Connection in Frankfurt. Bei der Nippon Connection handelt es sich um das grösste Festival, das sich ganz dem japanischen Film widmet. Im Festivalzentrum an der Uni gab es neben vielen Kurz- und Langfilmen ein umfangreiches Beiprogramm zu Japan und seiner Kultur. Im Filmmuseum wurde eine Retrospektive zum Pink-Film gezeigt. Ich hatte mich in meinen drei Tagen vor Ort aber voll auf die aktuellen Kinoproduktionen in der Hauptreihe Nippon Cinema konzentriert.

Eigentlich wollten wir das Festival mit dem ersten Teil von 20th Century Boys (20-seiki shônen) beginnen. Da mussten wir aber die Erfahrung machen, das man nicht versuchen sollte, die Eintrittskarten kurz vor Filmbeginn am Spielort der Wiederholung, dem sehr schönen Programmkino/Restaurant Orfeos Erben, zu holen. Die Vorstellung war ausverkauft. Die Organisation schlampte ordentlich. Die Filmrollen sollten nicht erst nach angekündigter Startzeit im Kino eintreffen...
Daraufhin haben wir uns am Festivalzentrum mit den Karten für die nächsten beiden Tage eingedeckt. Wenn ich sehe, wie gut gefüllt die Vorstellungen zum Teil waren, ist früher Kartenkauf dringend angeraten. Richtig begonnen hat das Festival für mich dann mit der Komödie Osaka Hamlet (Ôsaka Hamuretto) über eine nicht ganz normale Familie einer allein erziehenden Mutter mit ihren drei Söhnen. Und der Beginn war nach Maß, war der Film doch sehr schön und witzig. Allein schon wie sich der mittlere Sohn, ein Schlägertyp, sich durch Hamlet arbeitet, ist eine Freude anzuschauen.
Am späten Abend habe ich den Fehler gemacht, das unter dem Titel KUMISOLO – The Japanese Cheap Pop Queen! angekündigte Konzert zu besuchen. Erstmal hat es eine Stunde gedauert, bis es wirklich losging. Kumisolo ist eine japanische Sängerin, die zu elektronischer Musik aus dem Laptop einfache Pop-Songs singt. Ich dachte mir vorher schon, das es nicht meine Musik sein wird. Den Eintritt hätte ich mir sparen können. Hörproben gibt es auf ihrer MySpace-Seite.
Der erste Film am Samstag war für uns Hells (Heruzu enjueruzu). Dieser wilde Anime war die reinste Hölle. Mit kruder Geschichte und unansehnlichem Design war dies der größte Mist, den ich je in einem Kino gesehen habe. Nervig, laut, hässlich und ein Showdown, der sich unerträglich lang zog. Mein Frankfurter Bekannter fand das Machwerk ganz gut. Keine Ahnung, wie man an den verschwendeten zwei Stunden etwas Gutes finden konnte.
Mit GS Wonderland (GS wandârando) ging es in die 60er zur Boomzeit der Beatmusik. Damals schossen auch in Japan (mit Verspätung) Beatbands, dort hieß es Group Sounds (GS), wie die Pilzköpfe aus dem Boden. Die Inszenierung war eher bieder und die Geschichte etwas lust- und ziellos. Aber die Musik und das sympathische Setting retteten einiges. Die Q&A-Session mit dem Regisseur musste ich leider vorzeitig verlassen, um den folgenden Film rechtzeitig zu erreichen.
In der Filmbeschreibung zu The Two in Tracksuits (Jaji no futari) steht: zwei urkomische Gesellen, die [..] stets das wesentliche im Auge behalten: immer cool bleiben!. Bei den Worten war klar, das ich den Film sehen muss. Teilweise war die Komödie tatsächlich recht witzig. Oft war der Film für mein Mainstreamgemüt zu ruhig und lakonisch.
Zu später Stunde gab es mit Detroit Metal City (Detoroito Metaru Shiti) einen herrlichen Spaß. Der Film, eine Adaption eines Mangas, handelt von einem extrem schüchternen Folkpop-Sänger, der ein erzwungenes Doppelleben als Sänger einer Death Metal Band führt. Das Ganze ist verrückt und einfach wunderbar abgedreht. Der Film hat meiner Meinung nach zurecht den Publikumspreis gewonnen.
Sonntag Mittag lief der absolute Höhepunkt des Festivals, das vierstündige Meisterwerk Love Exposure (Ai no mukidashi) von Sion Sono. Das war eine meiner intensivsten Kinoerfahrungen und mit Sicherheit einer der Topfilme des Jahres.
Dagegen konnte Talk, Talk, Talk (Shaberedomo shaberedomo) nur abfallen. Die zurückhaltende Komödie über die traditionelle japanische Kunst, humoristische Geschichten zu erzählen konnte nicht durch viel Lachen überzeugen, sondern durch sein sympathisches, aufbauendes Wesen.
Die Fahrt nach Frankfurt hat sich auf jeden Fall gelohnt. Bei den gesehenen Filmen überstrahlten die guten Werke den Extremausfall. Auch außerhalb der Kinosäle gab es viel zu sehen. Wenn nichts dazwischen kommt, bin ich nächstes Jahr wieder mit von der Partie.